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…von stillen Schneewelten und einem generationenübergreifenden Erinnern: #niewieder!

Gedenkstele auf dem Friedhof der Gedenkstätte Hadamar

Salut und liebe lebens.verbundene Grüße aus den unteren Ruwertalgefilden! Nach einem so ziemlich – zumindest in Sachen Außentemperatur – frühlingshaften Jahresbeginn hat Herr Winter mit seinem Schneekleid nun doch noch beschlossen, sich aus den oberen Wolkenhimmelslagen auf den Weg nach unten zu machen. Es wurde aber jetzt allmählich auch mal höchste Zeit! Pünktlich zum einsetzenden wirbelnden Tanz der Schneeflocken saß frau sodenn auch im Auto und war unterwegs gen heimatliche Hochwaldhöhenzüge – ich sag’s Euch: Wohl der, die den Dorfkind-Führerschein bei Wind und Wetter gemacht hat und im Gegensatz zu Stadtmenschen die Ruhe behält und sich gemütlich bergwärts schafft….welch ein trierisches Autoabenteuer! Frau könnte auch sagen: „The same procedure as every year!“ Wie schön, dass auf manche Dinge einfach immer gewohnt Verlass ist…

Nun denn: Da Schneekleider ja bekanntlich nur eine kurze Tragedauer haben und relativ schnell von der neuen Frühjahrsmode abgelöst werden, hieß es also wieder mal: Nix wie raus, Wanderschuhe schnüren, warm einpacken, Kamera schnappen und ab ins durch und durch weiße Hochwaldleben! So drücken die Winterbilder dieser neuen Ausgabe der lebens.verbunden-Post nicht nur meine Schneefreuden aus, sondern sind zugleich auch eine kleine winterliche Hommage an das kleine hochwäldlerische Heimatdorf, das sich ganz in weiß von seiner Zuckerseite präsentiert. Seht selbst:

Ein Spaziergang hat mich in den vergangenen Tagen auch – und das eher zufällig – rund um die Gedenkstätte des ehemaligen SS-Sonderlagers Hinzert geführt. Von Schnee bedeckt liegt der Ort still da – und in meinem Lockenkopf ist es wieder mal unvorstellbar, was sich hier in den 1930er und 40er Jahren ereignet hat. Hier – und an so vielen anderen Orten, die zu Stätten der Unmenschlichkeit geworden sind. Der Besuch der Gedenkstätte Dachau hat mich schon als Schülerin mit Fragen und einer kaum auszuhaltenden Realität konfrontiert, der Besuch in Hadamar Jahre später mit einer inklusiven Gruppe ebenso. „Mensch achte den Menschen!“ ist auf der Gedenkstele des Friedhofs oberhalb der Gedenkstätte in Stein gemeißelt als Mahnmal für alle zu lesen – wie schnell gesagt und wie schwer manchmal doch alltäglich im Kleinen gelebt.

Meine Arbeit ist in diesen Tagen von Gedenkveranstaltungen geprägt. Im Rahmen der Vorbereitung auf eine Stolpersteinverlegung lese ich mehr über die Familie Samuel Meyer, an die dieser Tage gedacht wird und sehe, dass ebendieser Samuel Meyer in Hentern geboren wurde. In meinem Heimatort im Hochwald. Und auf einmal ist es keine „anonyme“ Stolpersteinverlegung mehr, sondern eine Verbindung ist da. Ich frage mich, ob Samuel Meyer vielleicht meine Urgroßeltern gekannt hat. Ich frage mich, wo er gewohnt hat und stelle mir vor, wie er durch dieselben Straßen gelaufen ist wie viele Jahrzehnte später ich.

Erst relativ spät habe ich als Schülerin wirklich begriffen, dass die Deportationen und Schändungen, dass so viel Unmenschliches nicht nur in fernen Städten, sondern auch vor Ort stattgefunden hat. Und dass es überall Opfer gab. Und auch Täter. Und dass alle Familien nach der erlebten Kriegszeit mit traumatischen Erlebnissen und Verlusten weiterleben mussten. Und dass dies uns noch heute Generationen später prägt.

Ich denke in diesen Tagen auch viel an meine Großeltern – beide Kriegskinder. Insbesondere meine Oma habe ich oft gefragt und gebeten, „von früher“ zu erzählen. Viel hat sie nicht erzählt – und wenn, hat sie oft schnell wieder abgebrochen. Sie konnte es nicht. Wie sollte sie – selbst traumatisiert – auch? Ich habe es akzeptiert.

Heute denke ich, dass es vielleicht die Aufgabe der zweiten und dritten Generation danach sein muss, das zu tun, was meine Großeltern nicht konnten: Das Schweigen brechen und reden. Gedenken und Erinnern. Namen nennen und Orte besuchen. Räume der Begegnung schaffen und gemeinsame Antworten auf die Frage, wie wir miteinander leben möchten, finden. Jeden Tag neu. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden. Damit es hoffentlich auch in Zukunft heißt: #niewieder! Mensch achte den Menschen!

Die Stolpersteinverlegung für Familie Samuel Meyer findet übrigens am kommenden Freitag, 3. Februar, um 9 Uhr vor der Kirchstraße 76 in Fell statt.

Bleibt wohlauf und dem Leben verbunden! Judith

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