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… auf der Suche nach Lebenszeichen …

Drei, zwei, eins und Tadaaaa! Jackpot Corona – Herzlichen Glückwunsch! Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch ich an der Reihe bin.

Nun ist es also soweit. Seit nunmehr einer Woche sitze ich mit meinem positiven Testergebnis hier in meinen vier Wänden und befinde mich im Quarantäne-Status. Wie hat mein großes Patenkind es mit Blick nach draußen so schön auf den Punkt gebracht: „Eine bessere Woche hättest du dir auch nicht aussuchen können!“ Natürlich nicht. Ich hab‘ gleich den Fortgeschrittenenkurs gewählt, Quarantäne bei Regenwetter kann ja jede*r. Wat willste machen? Da kannste nix machen!

Nun sitze ich auf Balkonien in der Sonne, um mich her brummt und summt es fröhlich, Traubenhyazinthe und Co. tragen ihr schönstes Frühlingskleid und mein Blick schweift über den Radweg Richtung Ruwer und Wald, der sich gerade täglich in neuen Farben präsentiert. Die beste Zeit also, um eine neue lebens.verbunden-Post in die Welt zu schicken!

Corona-Tagebuch, Tag 1:

Ich fühle mich ungefähr wie ein Walross auf dem Trockenen. Also, ich habe noch nie (bewusst) ein Walross getroffen und es auch nicht gefragt, wie es sich anfühlt, ein Walross zu sein. Aber in meiner Vorstellung muss man sich ungefähr so fühlen als Walross auf dem Trockenen: Müde, unbewegt, träge, einfach puuuuuuh. Luft raus und nach der kleinsten Bewegung schon wieder müde. Nach zwei Tagen zwischen Sofambique und Bettanien hat neben meinen Knochen vor allem mein inneres Jojo beschlossen, dass es jetzt mal reicht mit der Rumliegerei. Während mein Körper sich in Ruhe übte (oder zumindest versuchte, dies zu tun), lief mein Köpfchen derweil auf Hochtouren: Wo habe ich mich angesteckt? Wen habe ich alles getroffen? Hoffentlich meldet sich niemanden und ich habe das Virus nicht weiterverteilt…. Nach Tag sieben hat sich (Gott sei Dank!) weder der ganze Musikverein noch die familiäre Nachbarschaft infiziert. Aufatmen!

Im Corona-Status werden die Tage relativ, der Kalender schafft den Weg gar nicht mehr bis auf den Tisch und ich befinde mich gefühlt zwischen den Welten. Und so verschwimmen auch die Erinnerungen an die einzelnen Tage und werden zu einer großen Quarantäne-ich-erzähle-dir-meine-Best-of-Erkenntnisse-der-vergangenen 2-6 Tage:

  • Die Nase läuft, ansonsten läuft’s hier auch – soweit es sich eben auf den Quadratmetern dieser Wohnung laufen lässt. Meine Fußspuren haben sich in den vergangenen Tagen gefühlt noch 2 cm tiefer in den Holzboden eingespurt.
  • Wenn pünktlich zur Quarantäne neue Postkarten eintrudeln und sich zumindest das innere Bergpanorama-Fenster öffnet – als ob sie’s geahnt hätten!
  • So viele Care-Pakete vor der Tür und so viele handgeschriebene Zeilen im Briefkasten – ein Geschenk! Ich persönlich finde ja, dass Naturalien und Postkarten wirklich Zukunft haben …. also wirklich wirklich.
  • Die Tee-Sorten im hauseigenen Sortiment hätte ich dann auch alle mehrmals durchprobiert. Die Steigerung von Fencheltee hin zu Kräuter- und Früchtetee ist eine echt positive Entwicklung. (Kann man das Wörtchen „positiv“ eigentlich noch so einfach benutzen?)
  • Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Schwickerath – zurzeit mal gerade gar nicht. Die Erfahrung, dass sich der Erdball auch ohne mich weiterdreht, ist durchaus heilsam. Insbesondere was das sonstige Arbeitspensum angeht.
  • Trotz aller Verbundenheit zu den Menschen in der Ukraine, gehen Nachrichten im Quarantäne-Status in nur noch dosierterer Form.
  • Aus einem Berg von Konjunktiv „ich könnte, würde, sollte, müsste….“ ist nur bedingte Realität geworden. Es gibt einfach Dinge, die machen wenig Freude, Corona hin oder her. Putzen zum Beispiel. Oder Steuererklärung.
  • Schubladen öffnen und den Inhalt sortieren ist wie auf Schatzsuche gehen. Ein Hausflohmarkt wäre durchaus eine Option. Demnächst mehr dazu. Die Schublade dann wieder zu schließen (und ohne Probleme zuzubekommen!) ist ganz was Feines.
  • Zumindest das Projekt Fensterputzen ist vollständig abgeschlossen. Wenn ich schon die meiste Zeit drinnen sitze, muss der Blick nach draußen nicht noch verklärter sein als eh schon.
  • So ein Telefonakku muss sich in Quarantänezeiten echt beweisen. Stiftung Judith-Test: Ansiedlung eher im semi-Bereich. So viel telefoniert wie in den vergangenen Tagen habe ich gefühlt seit Ewigkeiten nicht mehr.
  • Den Bewohner*innen meiner Insektenhotels sind die Abstandsregeln ziemlich egal. Wie schön, dass sie mir Gesellschaft leisten – ihr Summen ist die reinste Musiktherapie in diesen verrückten Tagen!
  • Auf Abstand geht die Wollmausparade übrigens auch nicht. Kaum sind die ersten Sonnentage da, bahnt sich die Polonaise durch’s Wohnzimmer, ganz verliebt in gestrickte Socken. Die Schnapsidee, mit ihnen Gassi zu gehen oder sie einem Dompteurversuch zu unterwerfen, hat der Staubsauger dann ganz schnell für beendet erklärt. Auch gut. Die nächsten Wollmäuse werden zeitnah einziehen, da habe ich keine Sorge!
  • Es wird Zeit für ein Leben ohne Jogginghose – pack die Wanderhose ein! Morgen. Oder Übermorgen. Eher Überüberüberübermorgen.
  • Kochen in Quarantäne-Zeiten oder die Frage, was gibt der Kühlschrank her und welche gewagte Kombination geht heute noch? Ich sage euch: Da kommen Dinge zusammen, die ich in anderen Zeiten nicht zusammen in den Kochtopf oder den Backofen gesteckt hätte….kann was!
  • Ein fulminanter kulinarischer Lichtblick der Woche: Die Biokiste! Ich freue mich Woche für Woche an dieser Kiste, aber diese Woche hat mich die Kiste dann endgültig zu einem Balkontänzchen herausgefordert. Merci!
  • Auf den letzten Metern gilt meine aktuelle Quarantänesorge eher der Frage, ob die Briefmarken bis Sonntag ausreichen werden.
  • Gemeinsame Videokonferenz-Corona-Frühstücke, so von Quarantäne zu Quarantäne, sind auch mal ein Start in den Tag. Wie schade, dass die Durchreiche durch den Bildschirm noch nicht funktioniert.
  • Des Abends nach 19 Uhr auf dem Weg durch die Ruwertaler Straßen zum Briefkasten, wenn die Straßen leer und die TV-Bildschirme flackern – meine ganz persönliche heute-Show.
  • Während da draußen das Hamstern wohl mal wieder um sich greift, sitzt mein Corona-Hamster noch auf Balkonien und erwacht nur langsam aus dem Winterschlaf. Mal schauen, welcher Welt ich da nächste Woche begegnen werde, wenn ich wieder rauskomme.
  • … Schlaf wäre durchaus mal eine wunderbare Alternative!

Status heute, Tag 7:

Ich fühle mich immer noch ein bisschen wie ein Walross, aber eher wie ein Walross, dessen Schwanzflosse schon wieder Wasser spürt. Es geht bergauf!

Freitesten? Wohl eher nicht. Wer den Fortgeschrittenenkurs gebucht hat, kann auch gleich noch die Verlängerung mitnehmen. Wie in einem schlechten Fußballspiel. Darauf noch ein Hatschiiiiii!

Diese Quarantäne-Erfahrung ist für mich ein Fasten der ganz anderen Art. In mir steigt ein ziemlich ungewohntes Gefühl von geschenkter Zeit auf. Zugleich bin ich sehr dankbar, dass der Verlauf bisher so mild ist und hoffentlich keine Spätfolgen mit sich bringen wird. Und meine Gedanken wandern immer wieder in die Ukraine, zu Anna und den anderen jungen Menschen und allen vom Krieg Betroffenen. In unregelmäßigen Abständen meldet sich Anna, ihre letzte Nachricht war „Take care of you and your body!“ Tränen laufen mir übers Gesicht und ich frage mich, wer hier (auf wen) Acht geben soll.

Der Krieg bleibt unfassbar für mich. Und meine Fragen werden von Tag zu Tag mehr – nicht nur in Richtung Russland, sondern auch in unsere Richtung, in meine Richtung, in Richtung der gesamten Erdenbewohner*innenschaft. Wann endlich findet ein Wandel statt – im Denken, im Handeln, im Großen, im Kleinen?

Mit Rose Ausländer denke ich täglich (der Text wird hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht abgedruckt).

Wann, ja wann?

Wann denn endlich?

Trotz allem oder gerade wegen allem möchte ich mich erst recht dem Leben zuwenden und mich auf die Suche nach #Lebenszeichen machen. Sehen, erfahren und spüren, dass neben all dem Unvorstellbaren und Furchtbarem auch Leben geschieht:

Weitere Infos zum Projekt #Lebenszeichen gibt es hier:

https://www.weiterblicken.com/lebenszeichen

Wer noch miteinsteigen möchte – herzliche Einladung!

Liebe Grüße von Balkonien – bleibt wohlauf, zuversichtlich und dem Leben verbunden!

Judith

Übrigens: Draußen nur Kännchen!

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