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Pace e bene, Frieden und Heil!

Teil der Berliner Mauer in Schengen/Luxembourg

„Stell dir vor, du wachst morgens auf und es ist Krieg.“

Was ich mir nie hätte vorstellen können, ist Wirklichkeit geworden: Krieg in Europa! Nicht einmal 80 Jahre hat der Frieden gewährt. Knapp eine Menschengeneration lang.

Seit Tagen herrscht in mir ein Wirrwarr von Wut, Fassungslosigkeit, Ohnmacht, Tränen, Verzweiflung. Noch immer fehlen mir die Worte, um das zu beschreiben, was so unwirklich scheint. Und so ist diese lebens.verbunden-Post wohl eher ein Stottern und der Versuch, das zu fassen, was nicht zu fassen ist.

Nachrichten gehen derzeit nur in Maßen. Die Bilder übersteigen mein Verstehen und Vorstellungsvermögen. Treffen mit Freunden und Reden hilft, um Gedanken zu teilen, Wut zu äußern, Ängste und Ohnmacht auszuhalten, zu beten, zu schweigen. Musizieren hilft, meinen Emotionen Ausdruck zu verleihen und das auszudrücken, wozu mir gerade die Worte fehlen. Und in meinem Kopf hallen Worte meiner Omi nach, die in ihren letzten Lebensjahren angefangen hat, von ihren Erfahrungen als Kriegskind zu erzählen: mehrmalige Flucht zu Verwandten und Bekannten, Nächte voller Angst in kalten Kellern, das Rollen von Panzern durch den Heimatort, ungewisse Begegnungen mit Soldaten, an der Front gefallene Familienmitglieder und Bekannte, ein zertrümmertes Zuhause nach Kriegsende. Nicht nur äußere Zerstörung, sondern noch viel mehr innere Verwundungen, Traumata.

Und immer wieder hat sie uns Enkel*innen gesagt: „Hoffentlich müsst ihr nie einen Krieg erleben, bleibt einig!“ Und: „Mit Krieg ist kein Krieg zu gewinnen, es gibt nur Verlierer. Vergesst das nicht!“

„Mit Krieg ist kein Krieg zu gewinnen.“ Ein Unmensch ist anderer Meinung – und stellt die ganze Welt mit seiner Ideologie im Wahn auf den Kopf. Und verschuldet Leid, unfassbar menschliches Leid. Für mich haben diese furchtbaren Bilder und Nachrichten aus der Ukraine in den vergangenen Tagen eine neue Dimension bekommen.

Rückblick: Sommer 2005.

Anlässlich der Tage der Begegnungen im Rahmen des Weltjugendtags in Köln sind knapp 50 junge Menschen aus der Ukraine zu Gast im Hochwald. Die jungen Frauen und Männer stammen aus der Region L’viv/ Lemberg und leben für eine Woche in Gastfamilien, zwei Männer und eine Frau nehmen wir bei uns auf.

Eine Woche voller Begegnungen, gemeinsamem Essen, Feiern, Tanzen und Beten, dem gegenseitigen Kennenlernen der verschiedenen Kulturen, Ausflüge nach Trier und in die Nachbarländer Luxembourg und Frankreich im Herzen Europas. Trotz erheblicher Sprachbarrieren können wir uns verständigen, nicht nur sprichwörtlich mit Händen und Füßen. Verstehen uns, ohne die gleiche Sprache zu sprechen.

Mit Ausbruch des Kriegs sind meine Gedanken bei diesen jungen Menschen und ich frage mich, wo sie sind, ob sie in Sicherheit sind oder gerade flüchten oder kämpfen müssen, wie es ihnen und ihren Familien geht. Nach Tagen finde ich endlich die Mailadresse von einer der jungen Frauen wieder und schreibe – und erhalte eine Antwort. Die junge Frau heißt Anna. Ihr und ihren Worten möchte ich in dieser lebens.verbunden-Post Raum geben.

Anna schreibt:

Dear Judith, of course I remember you! Your support and open heart means a world to me! I am right now in the US. My parent managed to get to Poland, staying at my friend’s house for now. My family, my friends, my husband’s family are all in Ukraine, in Kiev, Lviv, Ivano-Frankivsk. I am crying, it hurts so deeply I can not breathe. I don’t want to believe this is true. (….) Thank you so much for praying for Ukraine. My friends and I are praying the Chaplet of Divine Mercy every hour trying to guard Ukraine in our prayers. If you and your friends would like to join us each of you may pick a specific hour to be on guard every day and pray for peace, end of war today, protection for soldiers, people, cities and villages. (…) Thank you for you commitment to stay with Ukrainian people as long as necessary. It used to scare me that world might get used to what is happening, news cycle change, Ukrainian people might get left alone. But You give me hope! Thank you so much for this! I cant express enough how much your support means at this time! Please express my deep gratitude to all the people standing with Ukraine! Hugs, Anna

Anna. Oleg. Julija. Aleksij.

Vier junge Menschen, an die ich in diesen Tagen besonders denke. Vier junge Menschen, die stellvertretend für die vielen Ukrainer*innen stehen,die dieser grausame Krieg so unmittelbar trifft.

Anna. Oleg. Julija. Aleksij.

Vier junge Menschen meiner Generation, die mit mir auf luxemburgischem Boden von einem Europa ohne Grenzen, einem Europa in Frieden und Freiheit geträumt haben.

Anna. Oleg. Julija. Aleksij.

Vier junge Menschen, mit denen ich weiter unter dem Himmelszelt tiefblauer Hoffnung glauben und hoffen will, dass Krieg und Unmenschlichkeit nicht das letzte Wort haben, sondern das Frieden und Menschlichkeit siegen. Trotz allem.

Pace e bene, Frieden und Heil;

pax et bonum, peace and all good;

pokoj i Dobro, Shuno hejua!

(gesungen von den Kirchenmusiker*innen Region Hochwald in Ely 2005)

SCHALOM!

Judith

Ein Kommentar

  • Beatrix Groß

    Liebe Judith, danke. Danke v.a. für das Erinnern an unsere ukrainischen Freunde, die wegen des Weltjugendtages auch bei uns waren. Ich habe auch in Polen noch ukrainische Freunde, die wie wir alle fassungslos sind. Fassungslos und etwas mutlos macht mich die Hilflosigkeit, der eigentlich die ganze Welt diesem Regime gegenüber ausgeliefert ist. Beten wir für Menschlichkeit!

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