…von Dauer-Ohrwurm-Schleifen und zaunblickhaften Zeitreisen durch die Welten…
Gudde Moien!
Der Sommer kündigt sich mit wehenden Fahnen ähm Sonnensegeln an und die Temperaturen lassen eine heiße Vorahnung dessen aufsteigen, was da in den nächsten Wochen noch so kommen mag – das kann ja Eis werden! Nachdem ich meinen Sommerplatz auf Balkonien in einem schattigen Plätzchen zwischen blühenden Kornblumen, rotwerdenden Erdbeeren, den zarten Düften von Madame Lavendel und anderen blühenden Blumen, deren Namen ich (noch) nicht kenne, eingerichtet habe, sind das doch die optimalen Rahmenbedingungen, um eine neue lebens.verbunden-Post auf Reisen zu schicken. Und während Herr Rosmarin noch mit Frau Pfefferminzchen über das alltägliche Kleinerei debattiert, schreibe ich hier schon mal die ersten Zeilen – Los geht’s!
In dieser neuen Ausgabe möchte ich Euch mein persönliches Best of der vergangenen Wochen nicht vorenthalten: Nachdem Petrus das Land über Pfingsten mit ordentlich Regen gesegnet hat und Klein-Patenkind der festen Überzeugung war, unbedingt auf “Schnecken-Jagd” gehen zu müssen, grüßt das ach so verschlafene Murmeltier an einem Pfingstdienstagmorgen und grinst dich fröhlich um die Ecke an. Pandemiebedingt ist der Winterspringhüpfschlaf diesmal um ganze zwei Jahre verlängert worden. Und so hieß es dann auch 2022 nach gefühlten Ewigkeiten endlich wieder: “Willi, hei komme mir!” Da simma dabei, dat is priiiiiiima….!
Doch spulen wir einmal zurück in der Geschichte dieses etwas verrückt anklingenden grenzübergreifenden und manchmal auch (im wahrsten Sinne des Wortes) grenzüberschreitenden Völkchens, das sich links und rechts der Sauer vor so circa ungefähr kopfrechnerisch mehr oder weniger zwanzig Jahren plus minus in einer ach so heiligen lauwarmen Route EchterNACHT mit einem Sprangprëssessiouns-Ohrwurm in Dauerschleife infizierte und seit dem nicht mehr von diesem Päischten Dënschdeg zu Iechternach lassen kann. “Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder!” trifft auf dieses vierblättrige Kleeblatt jedenfalls nicht zu. Also im pauschalen Großen und Ganzen nicht. An der Feinjustierung lässt sich arbeiten, ebenso an der Form, denn frau*mann geht ja mehr oder weniger mit dem Zeitgeist. Und da Kleeblätter auch nicht jünger werden, startete die höchstpersönliche Route Echternach im sagenumwobenen Jahr 2022 dann auch altersgerecht angepasst an einem Morgen und nicht mehr um Mitternacht. Und in vierer-Kleeblatt-Besetzung statt inmitten jugendlicher Firmscharen.
Und so schreiben wir jenen Päischten Dënschdeg anno 2022, der wie auch die vielen anderen nicht mehr oder weniger in die Geschichtschroniken eingehen wird. Wir begeben uns in das Tal der Sauer, wo das Geschehen an diesem Morgen seinen Lauf nahm. Und – wie könnte es auch anders sein – begann auch dieser Morgen wieder mal mit der Überwindung etlicher Sprachbarrieren, die zwischen Maulkörben und Abkürzungsgekrakel im Tafelkreidestil auf T-Shirt-Vorlagen schon vor der neun auch die hinteren Gehirnwindungen zu einer ordentlichen Morgendenkgymnastik einluden.
Nachdem der Maulkorb dann als Maulkorb erkannt wurde und auch der Uhrenvergleich zwischen den Ländchen diesseits und jenseits der Sauer einem harten Prüfstand unterzogen wurde, packte das Kleeblatt sein Bündel, schnallte die Birkenstocksandalen und begab sich ohne Herrenhandtäschen und unter den Blicken irritierter und amüsierter lokaler Blumendekorateure sur le pont. Und sogleich erhielten sie ihre erste Lektion des Tages: Bus ist nicht gleich Bus und sechs nach neun ist und bleibt sechs nach neun. Nun denn – hinein in den Bus und auf nach Echternach!
Kaum war der luxemburgische Morgenstern in Sichtweite, verließ das Kleeblatt auch schon den Bus und begab sich auf gepflasterten Wegen mitten hinein ins Pilgerstädtchen. Als sie die Spitze des Turms der Basilika sahen, erschallte bereits ein ziemlich lautes und dumpfes “Geeeeeeeeeeeeeeegrüßet” durch die Gassen. Kurz zuckten sie zusammen (denn sie waren ja nicht wirklich gemeint), erdeten sich neu und schritten gemütlich – ab durch die Mitte – gen Abteiplatz, mitten hinein in das Pfingstspektakel! Und es dauerte nicht lange, bis der Sprangprëssessiouns-Ohrwurm an ihnen vorbeirauschte, sie erfüllte und sie von dortan für die kommenden Stunden nicht mehr losließ.
Auf dem Abteihof tauchte das Kleeblatt ein in den Weltenklang verschiedener Jahrhunderte und Geschichtsepochen. Und sie trafen auf einfach gewandete Menschen aller Generationen in blauen Hosen und weißen Hemden, die sich bereits warmhüpften und deren Sprangprëssessiouns-Ohrwurm ihren Füßen freien Sprung verlieh. Unter ihnen befanden sich ebenso in ziemlich gehäufter Anzahl Herren in wallenden Gewändern, die Schleppe schlurfend ihre brokaten Stickereien angelegt hatten und schreitend spitzgewändrig eckige Hutmoden auf ihren Köpfen trugen. Ein Weihrauchduft umhüllte ihre Erscheinung während auch sie ihren Platz suchten. Die Dame mit der Nummer 19 in der Hand unterbrach jäh ihr Kopfkino und forderte sie mit dem Herrn daneben auf, ihr weißes Tuch zu zücken und sich einzureihen. Und während so manches Köpfchen sich noch innerlich an ein “es liest und übersetzt” erinnerte, fragte sich der Lockenkopf unter ihnen, wer hier wem die hebräischen Leviten zu verlesen vermag und wo genau es bitte zur Übersetzung von überauszeitvergessenkatholisch in Richtung 2022 gehen möge. Ein Mundschutz hätte zumindest zeitweise geholfen, die eigenen Mundwinkel etwas entspannter durch diesen Morgen gehen zu lassen…..
“Da da dadaaaaa, da daa daa daa daa,….” – Hallo wach, wei gät et loss! Gut hüpf! Inmitten einer holländischen Pilgerschar – wir befinden uns ja immerhin im Herzen Europas – setzte das Kleeblatt sodann zu seinem ersten Sprung an, sortierte seine Füße in alle Himmelsrichtungen und sprang – vorbei an Totalitäten, Eisdielen und Pilger*innen aller Herren und Damen Länder – durch die Straßen von Echternach. Und während die Füße hüpften und der Lockenkopf wippte, wanderten auch die Gedanken aus und gingen auf Reisen bis hin in die Kindheitstage, als das Echternacher Highlight noch ein Besuch mit Oma und Opa “op dem Kirmes-Määrtchen im feinen Ländchen” war und mit einem Eis gekrönt wurde. Und sie sprangen und sprangen und sprangen, über Stein und Stein (ein Stock wurde nicht gesichtet), begleitet vom Wumms so mancher Trommel und dem selbstbewussten Einsatz oder Versatz manches Blechbläsers, bergauf und bergab, trockenen Hauptes durch die Torespforten hinein zu dem, der auch eingeladen hatte: Goude Moien Willi, hei seen ma näis – villmolls merci! Und: fir datt et Fridde gëtt – und nicht nur Friede im Himmel!
Und was tun Pilger*innen nach dem Pilgern? Rischtisch. Einkehren und speisen. Und da sich auf einem Bein bekanntermaßen weder gut stehen noch laufen noch springen lässt, bedurfte es zeitweise auch zwei Quiche, um wieder auf dem Boden der Tatsachen anzukommen. Der Morgenstern rief alsbald zum Aufbruch und so setzte sich das Kleeblatt wieder in Bewegung und holte den Bus. Nach einer Landpartie und einer Busreise durch ungezählte luxemburgische Dörfchen, vorbei an 15 Briefkästen, 3957 Kühen, Milljuuuuuunen Grashalmen, verwunschenen und freistehenden Häusern und durch verwinkelte Gässchen hatte dann auch der Busfahrer ein Einsehen und setzte das Kleeblatt nach gefühlten 45 Minuteneinheiten sur le Pont kurz vor der sauren Grenze wieder an die frische Luft. Und so packte das Kleeblatt wieder sein Bündel, schnallte die Birkenstocksandalen noch etwas enger und wandelte ohrwurmtrunken zurück an seinen Ausgangspunkt des Tagesgeschehens. Man stieß – natürlich alterskonform – mit einem großen Glas Wasser auf das Erlebte, das da verarbeitet werden wollte, an, ermahnte in lauten Gedanken noch einmal die Lordschaft und verabschiedete sich bis zu einem nächsten Wiedersehen – Nee, wéi schéin an flott dat war!
Ein pfingstliches Sprangprëssessiouns-Fazit:
- “Da da dadaaaaa, da daa daa daa daa,….” – es ohrwurmt! Und zwar noch Tage danach. Noch nicht genug gehabt? Dann gibt’s hier noch was auf die Öhrchen.
- Ausgeschlafen sieht frau mehr von der Welt. Ob sie all das dann auch sehen will, ist eine ganz andere Frage.
- Der Geist weht, wo er will. Hoffentlich.
- So manche Spitze ist wirklich die Spitze ähm der Gipfel.
- Bei einer nächsten Veranstaltung ähnlicher Art springt frau wieder auf der Position links außen, denn dort lässt sich bekanntlich noch besser nach dem Rechten sehen. Kinners, haltet euch immer schön links, sonst fallt ihr vom rechten Spitzenrand herunter!
- Springprozessionen sind auch eine Form von Konditionstraining für die Berge.
- Wie immer ist die Welt zu Gast im Ländchen! Manche Menschen trifft frau nur einmal im Jahr – und das im Herzen Europas. Danke, Willi!
- Trotz so manch erlebter Skurrilität zieht es frau doch immer wieder her – ein Auf- und Ab-Gehüpfe durch den Strom der Zeiten und Generationen. Und Weltanschauungen. Und sowieso. Nennt man – glaube ich – lebenslanges Lernen oder so. Lässt sich in solidarischer Kleeblattbesetzung auf jeden Fall mit viel Humor durchleben und nicht nehmen.
- Erkenntnis des Tages: Kopfsteinpflaster von althochdeutsch pflastar und lateinisch ausgeliehenem emplastrum oder griechisch klingendem émplastron (….dat Känd woar jo op der déier School!) in einer von gefühlt hundert möglichen Übersetzungen zu gut deutsch Heilpflaster und Wundpflaster – wenn das nicht mal eine Steilvorlage für eine unmögliche Doktorarbeit über die ach so heilpflasternde Wirkung eines Springens in einer fünfreihigen Prozession über Kopfsteinpflaster durch die Straßen eines altehrwürdigen Städtchens im Herzen von Europa und dessen ohrwurmhaltigen andauernden Therapienachklängen ist! Freiwillige vor! Zumindest der Arbeitstitel hätte schon mal genügend Wörter, um später den Status einer wohldurchforschten erkenntnistiefen und erlebnispädagogischen Doktorarbeit zu erlangen.
….in diesem Sinne nehme ich für heute die Kurzfassung und durchaus sommerliche Abkürzung:
In Dei nomine feliciter!
Genießt froh die frühsommerlichen Tage, vertraut auf des Geistes Wehen, das manchmal so ganz anders daherweht als gedacht, und wagt zaunblickhafte Zeitreisen – Ich verspreche euch, ihr werdet definitv Neues entdecken! 🙂
Bleibt wohlauf und dem Leben verbunden!
Judith