….von Alltagslandungen und himmlischen Momenten…
Es gibt sie, diese Momente im Leben, in denen du seit Wochen innerlich platzt vor Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub und gefühlt kurz vor der Abfahrt ein Anruf alles wieder auf Null setzt. Alltagslandung in Form eines ziemlich harten Bauchplatschers. Während ich mich bereits gedanklich barfuß am Ostseestrand wandern sah und vom Picknick in den Dünen beim Sonnenuntergang träumte, war das Leben anderer Meinung und stornierte kurzerhand meine Urlaubspläne – Willkommen in der Realität!
Gefühlte hundert Hirnwindungen, Tränen und Wutausbrüche später ist die Mutprobe angenommen und akzeptiert – und drei kalenderleere Wochen wollen neu gefüllt werden. Und da Badewannen für laufende 1,85m grundsätzlich kein Ersatz für die Ostsee sein können, spielt das Urlaubsleben nun an den Stränden von Ruwer, Nahe, Glan und Rhein – manchmal liegt das Schöne ja so Nahe!
Und so will ich heute einfach danke sagen – all denen,
…die mir in den vergangenen Tagen spontan die Tür geöffnet haben und Zeit geschenkt haben.
…die meinen Briefkasten mit so vielen Gruß- und Segenswünschen für ein weiteres Lebensjahr gefüllt haben, angerufen haben und musikalische Grüße geschickt haben – ihr seid umwerfend!
…die Rückenwind geschenkt haben und Gastfreundschaft ermöglicht haben.
…die mit mir durch diese Tage gewandert und gepilgert sind.
…von Herzen Dank!
Rückblickend war die Mutprobe gar nicht so schlimm. Als neue Herausforderung hat sich eher die Unmöglichkeit etabliert, Eisdielen am Wegesrand zu ignorieren und daran vorbeizuspazieren. Aber: Es gäbe durchaus schlimmere Versuchungen! 😉
gestrandetes maienkind
zurückgespült
ans ufer des alltags
im kastanienblütenregen
schickt der windhauch
zärtliche sonnenküsse
für den moment ist es genug
nicht gut, nicht perfekt
aber genug
zum leben
zum weitergehen
zum himmel spüren
Und so folgt hier ein Einblick in Urlaubstage der so ganz anderen Art:
Ein unerwarteter musikverein’scher Polkaabend auf Balkonien in fremden Landen lässt die Gedanken zu der A-Hörnchen-Reihe eines gewissen Bergvolks wandern:
An einem Sonnabend träumt der Franz auf der Vogelwiese seinen böhmischen Traum von den wir Musikanten und schiebt noch eine Gablonzer Perle Nummer 17 hinterher. Da kann die Rosamunde nur noch mit einem Gruß an Kiel zurückschauen und nimmt des Amboss’ Polka mit zum Stelldichein in Oberkrain. Da tuschlart der Walter, da bummerlt der Franz, es rundelt der Siegfried während der Kurt noch ne Runde Wein mit dem Franz auf der Vogelwiese gäbelt.
Fazit: Wo Musik erklingt, ist das Herz zuhause!
Preisfrage: Wie viele Polkae (latinum vivum ;)) haben sich hier versteckt? Bei kreativer postalischer Einsendung der Lösung wartet eine Überraschung auf!
Ein Nachmittag an (in) der Nahe – und der Sommer hält Einzug!
Gestärkt von Unmengen an Erdbeerkuchen und einem Kaffe geht’s auf zum Nahestrand – Schuhe und Strümpfe aus, die Steine unter den nackten Füßen spüren und barfuss ab ins Wasser! Mit geschlossenen Augen fühlt sich das fast wie Ostsee an. Der Sommer kann kommen, ob mit Pipapa oder ohne, ich bin bereit!
Auf Spurensuche in Mainz zwischen jüdischen Grundsteinen und dem Hier und heute wartet Herr Chagall mit einer äußerst blauen Stunde über den Dächern von Mainz auf – Atemholen und Durchatmen an einem solch heißen Fast-Sommertag! Inmitten von Blautönenspielen kommen Körper und Geist zur Ruhe, wandert der Blick durch die Zeitfenster zu den eigenen Wurzeln himmelwärts und leiser Engelklang wird hörbar.
Und auf dem Weg zur Synagoge gilt ein schattiger Gruß dem Vater Rhein, während Mutter Courage mir ihre eindeutige Botschaft hinterherruft: Pace e bene, Frieden und Heil – so sei es!
Und das Beste kommt zum Schluss: Pilgertage auf dem Rheingauer Klostersteig
Lehnt euch in eurer imaginären Hängematte zurück, schnappt euch einen Keks (denn Kekse gehen immer) und ein Getränk eurer Wahl und kommt mit auf eine Pilgerreise der ganz besonderen Art:
Es war einmal eine kleine, sehr lebendige Pilgerguppe irgendwo zwischen 1,65m und gefühlten 2m Pilgerlänge, die aus den eifelaner Hitzen eines unbeschreiblichen Sommermärchens hervorging und seit dem um immer wieder neue Pilger*innen heranwuchs. Auf Wunsch einer Einzelnen à la „Da könnte man ja auch mal noch pilgern“ begab sich das Kellenbacher Orgateam auf Vortour, begutachtete Klöster und Herbergen und fand jedes Postkartenlädchen in den versteckten Winkelgassen von Eltville. Und so sollte es an jenem Maienwochenende sein, dass sich die lebendige Pilgerguppe auf den Weg ins Rheingau machte und selbst noch Platz für ein gestrandetes Maienkind hatte, das da doch mitgeHOLT werden wollte.
Inmitten des abgeschiedenen Tals, eingebettet in den Wäldern des Taunus, begann ihr Pilgerweg am Kloster Eberbach, das heute den mehr oder weniger monastischen Weinstein zurückliegender Jahrhunderte atmet. Nachdem sie den Namen der Rose abermals nicht gefunden hatten, zogen sie nach einer Umrundung des Klosters gesegnet den Steig hinauf und suchten derweil nach einer Antwort auf die Frage, ob Rhabarber nun denn reif sein kann oder nicht.
Frau Delbrêl unterbrach ihre Rhabarberfragen und lud sie ein, ein Stück des Weges mit ihnen im Schweigen zu laufen, vorbei an weißen Rotzlingen und pappigen Hopflingen. In der Glut der vormittäglichen Hitze erklommen die Pilger*innen sodenn die Hallgartener Zange um sich anschließend unter den Dächern des himmlisch grünen Blätterdaches ihrer ersten Mittagspause zu widmen…..darauf noch einen Keks!
Beschwingt führte der Weg sie von nun an bergab durch das Pfingstbachtal, vorbei an großen und kleinen Wundern, zum Ruheplatz am Fischweiher – ganz gemäß dem Psalm 23. Wäre da nicht der Freischneider gewesen (der übrigens nicht Teil des Psalms ist), der ihr Ruhepäuschen unsanft unterbrach und zum Aufbruch rief. Doch bevor der Rucksack wieder sein Plätzchen auf dem Rücken fand, erfolgte noch eine kleine biologische Freiluftstunde zwischen Kaulquappen und Libellen und einigen Hypothesen ob des Gehölz, das da mehr oder weniger unbewohnt im Weiher schwomm.
Alsbald führte der Weg – wie könnte es auch anders sein – wieder durch den Wald hinauf, Wegschilder suchend und findend, hinaus in die Wingert. Hier eröffnete sich der lebendigen Pilgergruppe ein unglaublicher Weitblick über den Rheingau bis nach Rheinhessen, wobei einen der Pilgernden spätestens dort die heimatlichen Gefilde übermannten. Und schon leuchtete am Ende des Weges die Rosengasse auf, die den Pilgernden für eine Nacht Herberge bieten wollte. Den Rucksack kaum abgestellt, rief Wien auch schon zum Nachmittagscafé – natürlich standesgemäß mit einer Melange aus Erdbeerkuchen und anderen kalorienhaltigen Lebensfreuden.
Aus der Zeit der Wiener Klassik zog der Pilgerstrom weiter und war für kurze Zeit zu Gast bei Hof im Schloss Johannisberg – inmitten adrett-schwarz-weiß-grau gekleideter smarter Menschen mit großen Autos setzen die Pilger*innen per pedes mit ihrer bunten Wanderkleidung die passenden Farbtupfer ins höfische Landschaftsbild. Nach dem Besuch einer romanisch-heimatlich einfachen Schlosskapelle wähnte sich manch eine schon fast in Burgund.
Nach einem Gruß an den Chef, die liew Mamm und die entzückende Orgel rief ein Gläschen Sekt im Wingert und läutete den außerordentlichen Pilgerfestabend ein, der wenig später seinen fulminanten Ausklang auf der Terrasse mit Blaubeerpfannkuchen unter Palmen im Sonnenuntergang fand. So manche Raumwunderfrage blieb auch an diesem Abend ungelöst – und so folgten die Pilger*innen der rhoihessischen Bibelübersetzung: „Stei uff, nemm die Madratz unn geh hoam!“ Gute Nacht!
Der Kaffeeduft des anbrechenden neuen Tags führte die Pilgernden aus ihren Matratzenlagern wieder zusammen. Gestärkt verließen sie ihre Rosengasse und begaben sich im Sonnenschein des sonntäglichen Ostertags auf Wanderschaft. Mit einer frisch gepflückten Kirsche als Wegzehrung erreichten sie alsbald ihr erstes Tagesziel und nahmen Platz in Marienthal. Nach einem Orgelaufspiel der feinsten Art wurden sie etwas unfreiwillig verstrickt in mittelalterlich-verfahrene Frauenfragen, die keine synodale Lösung im 21. Jahrhundert erwarten ließen. Und so verließen sie – ganz franziskanisch – vorbei an der Institution das Tal und begaben sich auf die Suche nach dem Frieden, den der Herr ihnen versprochen hatte.
Die Nothgottes hatte Erbarmen mit ihnen und schenkte ihnen nach gefundenem Stempelkissen einen Mittagspausenplatz im Schatten des Klostergartens, der überaus angefüllt war mit gummi-bärchenhaften Glücksgefühlen. Und immer wieder war ein seufzend-frohes „Was GEHT es uns so gut!“ unter ihnen zu hören. Die Mittagssonne plädierte für eine Abkürzung, die es überraschungshaft in sich hatte und für ganz neue Perspektiven sorgte.
Mit dem Gesang der Hildegard führte der Weg die Pilgernden sodann an ihr Ziel in Marienhausen, wo sie mit offenen Armen dessen empfangen wurden, der einfach so beschloss, immer da zu sein. Und so fanden sie ihr Pilgerkreuz, staunten über das, was da geschehen in diesen Tagen, fanden ein Stück des Friedens und des Himmels in ihren Herzen und dankten Gott mit Musik und Gesang.
Ein wahrhaftiger Schlüsselmoment beendete ihren Besuch. Nach einer telefonischen Geburtstagspolonaise führte der Weg die Pilger*innen ein letztes Mal über Stock und Stein zurück an des Vater Rheins Bett, der sie wiederholt zu Tisch bat – denn wer pilgert, kann was erleben und hat was zu erzählen! Grâce à Dieu et merci beaucoup! Schalom!
In diesen Pilger- und Urlaubstagen habe ich den Himmel nicht nur gesehen, sondern auch geschmeckt, gespürt, ersehnt und erlebt.
….und wo fängt dein Himmel an?
Schalom! Sucht und findet den Himmel und bleibt dem Leben verbunden!
Judith